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Editorial #1

Motor für regionale Wirtschaft und lokale Wertschöpfung

Verwaltungsratspräsident Dr. Arnold Bachmann (Bild oben) und Landammann Benjamin Mühlemann im Zwiegespräch über die Herausforderungen der Transformation im Glarner Gesundheitswesen.

 

Sie lenken gemeinsam im Verwaltungsrat die Geschicke des Kantonsspitals Glarus in herausfordernden Zeiten: Verwaltungsratspräsident Dr. Arnold Bachmann und Landammann Benjamin Mühlemann. Wohin die Transformationsreise für das KSGL als Gesundheitsversorger, Arbeitgeber und Ausbildungsstätte geht, beleuchten die zwei Vordenker im Zwiegespräch und richten den Hauptfokus auf Agilität, Effektivität und Qualität.

 

Herr Bachmann, der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig. Welches sind die spezifischen Herausforderungen für ein kleines Spital wie das unsrige?

AB: Einfach gesagt: Wir müssen mithalten können mit den Grossen. Nun leben wir in einem Kanton mit traditionell tieferem Lohnniveau. In Mangellagen lässt sich dies nicht aufrechterhalten. Es ist zwingend, dass wir die Löhne den umgebenden Kantonen angleichen. Nur so können wir unsere Stärken wieder ausspielen.

Stichwort klein und wendig – welche Vorteile bringt dies mit sich?

AB: Aufgrund seiner Überschaubarkeit bietet das KSGL eine sehr persönliche Arbeitsatmosphäre. Jedes Individuum zählt in diesem Mikrokosmos. Zudem ist es sicherlich wertvoll für Mitarbeitende, wenn sie wissen, dass sie wesentlich zur Gesundheitsversorgung in ihrer Region beitragen.

BM: Das KSGL ist die regionale Drehscheibe für die ambulante und stationäre erweiterte Spital-Grundversorgung und mit allen anderen Akteuren im Gesundheitswesen eng vernetzt. Man darf es als identitätsstiftenden Faktor bezeichnen, weil es die Attraktivität unseres Kantons nachweislich steigert. Das Spital bietet hochwertige Arbeitsplätze und ist dadurch ein Motor für die regionale Wirtschaft und die lokale Wertschöpfung.

Inwiefern?

BM: Von den 100 Millionen Umsatz des Spitals fliesst ein erheblicher Teil an Glarner Firmen. Nehmen wir als Beispiel die Erneuerung der Zentralsterilisation: ein Millionenauftrag, an dem diverse einheimische Unternehmen beteiligt waren. Das wurde konsequent verfolgt. Nicht zu vergessen: Das KSGL ist auch eine wichtige Ausbildungsstätte für Nachwuchskräfte im Kanton.

Wenn wir von Nachwuchs sprechen: Welche Berufsgruppen fehlen dem Kantonsspital Glarus kurzfristig – und wo sehen Sie langfristig das Manko?

AB: Kurzfristig fehlen uns in der Pflege vor allem Spezialist:innen mit Nachdiplomstudium, beispielsweise für Intensivpflege oder Anästhesie. Aber nicht nur jetzt fehlen uns Fachkräfte, sondern längerfristig erst recht.

BM: Genau deswegen leistet sich der Kanton ein eigenes Bildungszentrum für Pflegeberufe. Selber Fachkräfte auszubilden, ist eine Schlüsselfunktion für unser Gesundheitswesen. Dies gilt für die Grundbildung genauso wie für die Weiterbildung. Die eigene Schule ist auch ein Standortvorteil. Damit sind wir viel flexibler, können rasch neue Lehrgänge auflegen und auch mit kleinem Mengengerüst sofort aktiv werden. Ein limitierender Faktor sind fehlende Praktikumsplätze – zum Glück engagiert sich das KSGL hier sehr stark.

Und wie sehen Sie die Entwicklung auf Seiten Rekrutierung von neuen Ärztinnen und Ärzten?

AB: Rein demografisch wird auch beim ärztlichen Fachpersonal ein Mangel eintreten. Kommt hinzu, dass wir an einem Kantonsspital immer gut ausgebildete Spezialist:innen brauchen, die zugleich Generalist:innen genug sind, um auch eine gewisse Breite abzudecken und ihr Wissen den Assistenzkräften weitergeben zu können. Notwendig sind auch Kooperationen in bestimmten Disziplinen mit anderen Anbieter:innen, um bestimmte Subspezialitäten bedienen zu können.

Effizienz steht auch in einem Spital hoch oben auf der Prioritätenliste. Wie können schlankere Prozesse gleichzeitig die Belastung reduzieren und die Arbeitsbedingungen verbessern?

AB: Ich spreche lieber von Effektivität als von Effizienz. Es geht nicht darum, noch schneller zu arbeiten. Wir müssen dort wirksamer arbeiten können, wo wir einen direkten Beitrag zur Genesung unserer Patient:innen leisten. Das heisst: Mehr Zeit für Arbeiten direkt an den Patient:innen und dafür Reduktion bei den patient:innenfernen Tätigkeiten. Also vermeiden von unnötigen Handlungen und Doppelspurigkeiten. Die Digitalisierung und insbesondere das neue Klinikinformationssystem bieten hier sehr viele Möglichkeiten.

BM: Das KSGL hat den Auftrag, eine breite medizinische Grundversorgung der Bevölkerung sowie die Notfallversorgung sicherzustellen. Seitens Politik besteht ein klarer Wille, dass wir uns viel, aber nicht alles leisten. Bei unseren Grössenverhältnissen ist es immer ein Spagat zwischen Wünsch- und Machbarem: Was kann ein Spital wirtschaftlich anbieten? Und kann eine optimale Qualität gewährleistet werden – sprich: Welches Angebot soll und kann unser KSGL qualitativ hochstehend und effektiv anbieten?

Haben Sie ein Beispiel dafür?

BM: Nehmen wir die Geburtshilfe: Die Geburt ist ein Schlüsselmoment im Kontakt mit dem Spital. Wer gute Erfahrungen macht, kommt wieder. Wir haben gut 300 Geburten pro Jahr im KSGL. Und dafür erbringen wir ganz bewusst eine Vorhalteleistung von 1,4 Millionen Franken. Das ist zwar nicht unbedingt wirtschaftlich, aber gesellschaftlich sehr bedeutsam. So steigern wir die Attraktivität des KSGL insgesamt.

Welche entlastende Wirkung für die Mitarbeitenden des Kantonsspitals Glarus erhoffen Sie sich von der Digitalisierung?

AB: Digitalisierung ist ein Weg zu mehr Effektivität, aber nicht der einzige. Zum Beispiel investierten Assistenzärztinnen und -ärzte früher sehr viel Zeit, um Rapporte und Visiten vorzubereiten. Sie suchten von Hand Dossiers und andere Befunde zusammen. Dies lässt sich heute mit einem Klinikinformationssystem mit wenigen Klicks bewerkstelligen. Die ärztlichen Fachpersonen gewinnen dadurch Zeit für die Arbeit an den Patient:innen.

BM: Die Digitalisierung wird auch das Gesundheitswesen immer stärker prägen, daran führt kein Weg vorbei. Wir müssen agil bleiben, uns mutig und zuversichtlich dem Wandel stellen. Dazu gehört übrigens auch, dass wir clevere Kooperationen mit verlässlichen Partnern schliessen. Diese sind das A und O für die langfristige Sicherung eines breiten Leistungsspektrums am KSGL.

Welche Investitionen sind in den nächsten Jahren nötig, um nachhaltig wirtschaften zu können? Und vor allem: Wie lassen sich diese finanzieren?

AB: Bei der Hardware sind wir solid aufgestellt. Unsere Gebäude sind grundsätzlich in gutem Zustand. In Teilbereichen des nördlichen Gebäudes sind in punkto Erdbebensicherheit nach neuesten Normen Anpassungen angezeigt. Wir prüfen daher zurzeit die Anforderungen und allfällige Massnahmen. Hingegen sind unsere Stationsgrössen suboptimal. Vor allem müssen wir aber in die digitale Transformation investieren, und da sprechen wir von vereinfachten Prozessen mittels digitaler Technologien. Zudem gibt es einen hohen Investitionsbedarf bei der Medizinaltechnik, um «state-of-the-art» zu bleiben. Am wichtigsten jedoch sind die Investitionen in die Menschen: in unsere Fachkräfte.

BM: Essenziell ist, dass die Versorgungssicherheit und Betreuungsqualität in unserem anspruchsvollen Umfeld hier auf dem Land auch künftig stimmen – und zwar zu einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis. Die hiesige Bevölkerung muss sich die Prämien weiterhin leisten können und im Sinne der Transparenz verstehen, welche Leistung zu welchem Preis in welcher Form angeboten werden kann. In diesem Sinne sind die nötigen Informationen und Anreize zu schaffen.